Zum Umgang mit dem Wolf

Kaum ein anderes Tier in unseren Wäldern wird so kontrovers diskutiert wie der Wolf. Auch bei den Grünen scheiden sich hier die Geister. Seit 2008 sind Wölfe wieder in Sachsen-Anhalt heimisch. Ende 2019 wurden knapp hundert Wölfe in unserem Bundesland gezählt.[1] Die Grünen im Jerichower Land begrüßen grundsätzlich die Rückkehr des Wolfs.

Eine der sichtbarsten Folgen des Klimawandels ist der teilweise dramatisch schlechte Zustand unserer Wälder. Die standortgerechte Entwicklung unserer Wälder ist eine gewaltige Aufgabe, die sich noch über Jahrzehnte hinziehen wird. Die Naturverjüngung der Bestände spielt hierbei eine zentrale Rolle. Um Verbissschäden möglichst gering zu halten, setzt eine erfolgreiche Waldentwicklung unverzichtbar angepasste Wildbestände voraus.[2] Als letzter verbliebener großer Beutegreifer in relevanter Zahl erfüllt der Wolf bei der Regulierung des Schalenwildes eine wichtige Rolle im Ökosystem Wald und dient damit auch dem dringend notwendigen ökologischen Waldumbau.

Unsere Kulturlandschaft bietet gerade in Sachsen-Anhalt durchaus Platz für Wölfe. Es besteht aber durch Übergriffe auf Haustiere auch ein erhebliches Konfliktpotential. Auch die Weidetierhaltung ist ein wichtiges und schutzwürdiges Element des Naturschutzes sowie der artgerechten Tierhaltung. Sie leistet wertvolle Beiträge zum Erhalt unserer Kulturlandschaft und der Artenvielfalt. Durch entsprechende Förderprogramme und die Unterstützung betroffener Tierhalter möchten wir die Konflikte mit dem Wolf minimieren.

Wir sind davon überzeugt, dass der Wolf keine direkte Bedrohung für Menschen darstellt, nehmen aber die diesbezüglichen Sorgen unserer Bürger ernst. Nach abnehmenden Risszahlen in den vergangenen Jahren, sind in letzter Zeit Übergriffe der Wölfe auf Weidetiere wieder häufiger geworden und fanden häufig auch in unmittelbarer Nähe unserer Dörfer statt.

Insbesondere kleine Herden von Hobby- und Nebenerwerbstierhaltern in Dorfnähe sind heute oft noch nicht ausreichend gegen Wölfe geschützt. Hier muss ein Umdenken stattfinden. Für Gärtner im ländlichen Raum ist es selbstverständlich, dass sie ihre Gärten zum Schutz gegen Rehe und Wildschweine einzäunen müssen. Auch Geflügelhalter müssen ihre Tiere gegen Füchse und Waschbären schützen. Derartige Maßnahmen sind uns seit Jahrzehnten vertraut und daher selbstverständlich. Dass wir nun auch Schafe konsequent gegen Wölfe schützen müssen, ist noch relativ neu und führt verständlicherweise zu Abwehrreaktionen bei den betroffenen Tierhaltern. Aber eine Alternative dazu gibt es leider nicht. Sehr hilfreich in diesem Zusammenhang ist, dass das Land Sachsen-Anhalt umfassende Beratungs- und Fördermöglichkeiten für Weidetierhalter bietet und dass auch für außerlandwirtschaftliche Kleintierhalter angemessene Herdenschutzmaßnahmen zu 100 % gefördert werden.[3]

In Fällen, in denen die zur Verfügung stehenden Schutz- oder Vergrämungsmaßnahmen nicht greifen und es dennoch zu wiederholten Übergriffen auf Weidetiere kommt, muss man Problemwölfe auch schnell und ohne überbordenden Verwaltungsaufwand entnehmen können. Die Wolfspopulation bei uns ist stabil und wächst langfristig. Die begründete Entnahme einzelner Tiere stellt also keine Bedrohung für den Wolfsbestand dar. Voraussetzung für die Entnahme von einzelnen Tieren ist natürlich, dass zuvor die Möglichkeiten des Herdenschutzes voll ausgeschöpft wurden. Nach einem Wolfsriss wird man also die Schutzeinrichtungen überprüfen und ggf. verbessern. Erst wenn es danach zu weiteren Angriffen durch Wölfe kommt, kann eine Entnahme geplant werden. Solche Entnahmen, in denen ein Wolf unverhältnismäßig hohen finanziellen und emotionalen Schaden verursacht, sind gemäß der Leitlinie Wolf in Sachsen-Anhalt auch heute schon möglich.[4] Erfahrungen aus Niedersachsen zeigen übrigens, dass die Entnahme von Problemwölfen durchaus schwierig ist und die Jagd auf einen Wolf in der Regel ergebnislos verläuft.

Wie die Volksstimme berichtete, melden manche Tierhalter potentielle Wolfsrisse nicht, da aufgrund fehlenden Herdenschutzes keine Aussicht auf Entschädigung besteht. Das Wolfskompetenzzentrum kann aber nur aufgrund von genommenen DNA-Proben Rissvorfälle einzelnen Wölfen zuordnen. Die konsequente Meldung und Untersuchung ist also eine notwendige Voraussetzung für die Identifikation und ggf. für die Entnahme von Problemwölfen. Die Grünen im Jerichower Land setzen sich dafür ein, dass die Entnahme von nachgewiesenen Problemwölfen konsequent erfolgt.

Mit Ausnahme von Sachsen unterliegen Wölfe in Deutschland nicht dem Jagdrecht. Eine Aufnahme des Wolfes in das Jagdrecht macht aus unserer Sicht wenig Sinn, da der internationale Schutzstatus dadurch nicht aufgehoben wird. Problemwölfe könnten weiterhin nur auf Basis des Bundesnaturschutzgesetzes entnommen werden. Eine Begrenzung des Bestandes oder die Festlegung einer Abschussquote in einem einzelnen Bundesland sind laut EuGH unzulässig.

Ende September/Anfang Oktober 2020 wurde in den Medien und den sozialen Netzwerken wiederholt über vermeintliche Wolfsangriffe auf zwei Pferde in Möckern berichtet. Es ist schon merkwürdig: ein Pferd stirbt auf einer Weide, was danach beginnt, ist aber keine Diskussion über Pferdehaltung, mögliche Krankheiten oder ungenügende Haltungsbedingungen, sondern eine hitzige Debatte über Wölfe, die allerdings nach den bisherigen Erkenntnissen sehr schnell als Verursacher ausgeschlossen werden konnten.

Wir möchten alle Beteiligten bei der Diskussion über den Wolf zu Sachlichkeit und zur Orientierung an Fakten aufrufen. Statt Panikmache und Mutmaßungen, sollten wir alle dazu beitragen, die Notwendigkeit und die Möglichkeiten eines angemessenen Herdenschutzes weiter bekanntzumachen und voranzutreiben.

Die Wölfe sind wieder heimisch in Sachsen-Anhalt. Das birgt neben den beschriebenen positiven Aspekten für den ökologischen Waldumbau und intakte Ökosysteme auch Risiken für Tierhalter. Die Instrumente für die Minimierung dieser Risiken in Form von umfassend geförderten Herdenschutzmaßnahmen und ggf. der fallweisen Entnahme von Wölfen bei dennoch auftretenden Problemen stehen zur Verfügung und müssen nun genutzt werden.


Rüdiger Claus

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Kreisverband Jerichower Land

E-Mail: kontakt@gruene-jerichower-land.de


[1] Wolfsmonitoring Sachsen-Anhalt, Bericht zum Monitoringjahr 2018/19, Landesamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt, Wolfskompentenzzentrum Iden, November 2019

[2] Anpassung der Wälder an den Klimawandel, Positionspapier des Deutschen Verbandes Forstlicher Forschungsanstalten (DVFFA) vom 09.09.2019

[3] Merkblatt Förderung von Maßnahmen des Herdenschutzes vor dem Wolf, Landesamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt, Wolfskompentenzzentrum Iden, 2019

[4] Leitlinie Wolf, Handlungsempfehlungen zum Umgang mit Wölfen, Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft und Energie Sachsen-Anhalt vom 6. Juli 2017